· Pressemitteilung

Humanitäres Handeln im Krieg

Prof. Michael Bothe

Die thematische Klammer der diesjährigen Tagung zum Humanitären Völkerrecht in Ettlingen bei Karlsruhe war weit gefasst. Am 16. Und 17. März betrachteten die Referentinnen und Referenten unter dem Motto „Gebietskontrolle, humanitäres Handeln und das Völkerrecht“ sowohl Fragen der Wehrmedizin im Ersten Weltkrieg als auch das „Law of Occupation“ der USA nach deren Einmarsch in den Irak vor 15 Jahren.

In seiner Einleitung umriss der Konventionsbeauftragte des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg, Prof. Werner Romen, die Thematik der Veranstaltung: Wie kann unter verschiedensten Bedingungen humanitäre Hilfe geleistet werden? Wie ist Völkerrecht durchsetzbar angesichts von unterschiedlichen Konfliktparteien kontrollierten Gebieten? Als erste Referentin betrachtete Christina Globke den Umgang deutscher Gerichte mit einer besonderen Gruppe von "Dschihad-Reisenden": die Mitglieder der "Medizinergruppe des IS". Globke stellte die Frage, ob beispielsweise deutsche Krankentransport-Fahrer des IS als Unterstützer einer ausländischen terroristischen Vereinigung verurteilt werden dürfen. Prof. Michael Bothe wies zu Beginn seines Vortrags auf den Jahrestag des Massakers von My Lai vor 50 Jahren in Vietnam hin, bei dem US-Soldaten ein Dorf mit hunderten Zivilisten zerstörten. Im Anschluss diskutierte er die Frage, wie humanitäre Hilfe in Konfliktgebieten organisiert werden kann: Welche beteiligten Gruppen und Parteien müssen zustimmen? Darf humanitäre Hilfe als Unterstützung des jeweils im Hilfsgebiet herrschenden (Kriegs-)Partei gewertet werden? Insgesamt hält Bothe im Nahen Osten einen "großen Wurf" für Hilfsaktionen derzeit für unrealistisch. Dr. Ralf Vollmuth wies darauf hin, dass im Ersten Weltkrieg Theorie und Praxis des Sanitätsdienstes weit auseinanderlagen. Zwar machten sich die Militärärzte die Fortschritte auch in der Medizin zunutze, jedoch sah Vollmuth den Krieg nicht als Motor der medizinischen Entwicklung. Neue Behandlungsmethoden bezeichnete er als unwissenschaftliche Menschenversuche und wies auf die entstandene Unterversorgung in Deutschland hin: 25.000 der 30.000 deutschen Ärzte waren an der Front eingesetzt. Am zweiten Tag gab Dr. Margret Spanion einen Überblick über die laufenden völkerstrafrechtlichen Verfahren. Sie wies darauf hin, dass es erst wenige Urteile gebe. Oft seien durch die Gerichte zu klären, ob die ermittelten Tatbestände ausreichen, um unter das Völkerstrafgesetzbuch zu fallen. Daria Wollschläger, langjährige Rechtsberaterin der US Air Force, erklärte, dass die USA 2003 beim Einmarsch in den Irak unzureichend auf die Situation als Ordnungsmacht in dem besetzten Staat vorbereitet waren. Zudem sei für die Verwaltung des Landes zu wenig Personal vorhanden gewesen. Dr. Rolf von Uslar erläuterte im letzten Vortrag der Tagung die ethischen Probleme der Medizin am Beispiel des deutschen Engagements in Afghanistan angesichts der komplexen Situation vor Ort. Eine der Fragen: Wer darf behandelt werden, wenn zu wenige Ressourcen zur Verfügung stehen. Oft seien auch bei der Zivilbevölkerung große Erwartungen hinsichtlich einer modernen medizinischen Versorgung geweckt worden.
Die Tagungsthemen:
  • "Der rechtliche Status von Ärzten und Sanitätern beim "Islamischen Staat", Dr. Christina Globke, Universität Hamburg

  • "Humanitäre Hilfe in besetzten Gebieten", Prof. Dr. Michael Bothe, Goethe-Universität Frankfurt a.M.

  • ""Menschen als Material" - der Sanitätsdienst als Instandsetzungstruppe?", Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth, Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr

  • "Übersicht über die laufenden völkerstrafrechtlichen Verfahren - die praktische Bedeutung des VStGB", RiBGH Dr. Margret Spaniol, Bundesgerichtshof

  • "The Laws of Occupation in Iraq", Daria Wollschläger, Chief of International Law, US Air Forces in Europe & Air Forces Africa

  • "Wer wird behandelt? Wehrmedizinethik am Beispiel von Medical Rules of Eligbility", Oberstarzt Dr. Rolf von Uslar, Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr

Veranstalter der Tagung sind das Bundesministerium der Verteidigung (Zentrale Ausbildungseinrichtung für die Rechtspflege der Bundeswehr) und das Deutsche Rote Kreuz (Generalsekretariat und Landesverband Baden-Württemberg).
Die Tagung ist im Laufe der Jahre zum stehenden Begriff und zum festen Bestandteil eines langjährigen, überaus erfolgreichen Gedankenaustausches zwischen Wissenschaftlern, Rechtsberatern und Rechtslehrern der Bundeswehr und des Deutschen Roten Kreuzes sowie des Internationalen Roten Kreuzes, den Vertretern der Ministerien sowie interessierten Gästen, auch aus dem Ausland, geworden.